
Hochschule der bildenden Künste Saar
„Eigentlich gibt es keine Grenze zwischen dem Islam und dem Islamismus“, behaupten einige „Islamexperten“ und „Kompetenzzentren“. Demzufolge, da der „Islamismus“ zurzeit die größte Gefahr für die Demokratie und Freiheit und überhaupt für den Weltfrieden darstellt, bleibt uns nichts anderes übrig, als den Islam zu bekämpfen. Angenommen die ganze Welt wäre sich darüber einig. Was sollten wir dann tun? Uns an die Arbeit machen die ca. 1,5 Milliarden Muslime zu ent-islamisieren? Damit die Welt endlich gut wird?!!!

Trauerbeflaggung vor der saarländischen Staatskanzlei
Es mag sein, dass es in der akademischen Welt einen Sinn macht über die Begriffe Islamismus, radikaler Islamismus, islamischer Fundamentalismus, orthodoxer Islam, Djihadismus, Salafismus, Vehabismus und ihre Bedeutung zu diskutieren. Doch wer die Begriffe Islamismus und Islamist im Alltag benutzt handelt fahrlässig.
„Derjenige, der diese Begriffe bewusst einsetzt, nimmt zumindest billigend in Kauf, dass der Islam negativ und jeder Muslim als Gefahr wahrgenommen wird!“, versuchte ich neulich einem Freund aus dem Ruhrgebiet klar zu machen. Er, der täglich Tageszeitungen liest und mit mir schon viele, lange Diskussionen über das Thema Islam in der heutigen Welt geführt hat behauptete dagegen, dass die Menschen, zumindest in Deutschland sehr wohl zu unterscheiden wissen, dass ein Muslim nicht das gleiche ist wie ein Islamist. Und das Islamismus nicht das gleiche ist wie Islam.
Ich bat ihn, eine kleine Umfrage in seinem Freundeskreis zu machen. Er war überrascht, dass seine Kollegen, die jeden Tag die gleichen Zeitungen lesen wie er, keinen Unterschied zwischen diesen Begriffen erkennen konnten.
Ich nicht. Wer würde sich schon die Mühe machen, den Unterschied zwischen einem Katholizisten und dem Katholik zu suchen? Es ist auch eine zu erwartende Reaktion der Menschen, dass sie, wenn von der „Islamisierung“ der westlichen Gesellschaft die Rede ist, Angst bekommen. Assoziiert doch dieser Begriff an etwas was fast immer mit Zwang und Gewalt durchgeführt wurde, wie z.B. Kolonialisierung, Christianisierung…
Deshalb ist es für mich von großer Wichtigkeit, wie wir mit unserer Sprache umgehen. Über die Macht der Sprache haben schon viele geschrieben:
„Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“, so der Philologe Victor Klemperer , der während der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland ein Notizbuch über die Entwicklung der Sprache, „Lingua Tertii Imperii“ (LTI) geführt und nach dem Ende des Krieges 1946 veröffentlicht hat.

Ich bin kein Nationalist!
Ich habe schon bitter erfahren, wie dieses Gift wirkt. Ich bin in einer sozialistischen multireligiösen Gesellschaft als Kind einer muslimisch säkularen Familie zur Welt gekommen. Ich habe keine religiöse Erziehung gehabt. In meiner Heimat Jugoslawien hatte ich gelernt, dass es nichts Wichtigeres gibt, als die Würde und Freiheit eines anderen Menschen zu respektieren. Und dass es nicht wichtig ist, welche Religion einen Menschen prägt, weil Glaube an Gott eine private Angelegenheit ist. Dass Bildung und Kultur wichtig sind… Es war ein gutes und schönes Leben. La Convivencia!
Dann vergifteten Nationalisten Menschen mit ihren Worten. Plötzlich waren wir nicht mehr die glücklichen Jugoslawen, sondern unglückliche Kroaten, Serben, Bosniaken… Katholiken, Orthodoxe und Muslime… Der Hass siegte und Menschen fingen an ihre vermeintlichen Feinde zu töten… Millionen verließen ihre Heimat. Die meisten davon „bosnische Muslime“, die nur wegen dieser Zuordnung leiden mussten. Viele von ihnen glauben, dass Bosnien vom „Westen“ bis heute so schlecht behandelt wird, weil ihre Einwohner mehrheitlich „muslimisch“ sind. Mitten in Europa und doch aus der EU-Integrationsprozessen fast ausgeschlossen. Lebendig zugemauert. Und somit all den radikalsten Strömungen des Islams in der Welt ausgeliefert.
Dabei hätte ausgerechnet die Organisationsstruktur der Muslime im föderativen Jugoslawien, die schon seit dem Abzug der Osmanen und der Annexion Bosniens seitens der österreichisch-ungarischen Monarchie 1878, bzw. 1908 festgelegt wurde, eine gute Vorlage für die ganze EU sein können!
Wenn also heute Terroristen und Mörder aus den Reihen der besonders im Nahen Osten und Afrika verbreiteten Truppen gewaltsam eine Weltrevolution durchführen wollen, um den Einfluss der westlichen Gesellschaften zu beenden, dann will ich sie nicht Islamisten nennen. Wer sie so nennt, macht genau das, was diese Terroristen versuchen zu erreichen. Al Qaida, Boko Haram, Taliban, Islamischer Staat – das sind Terrortruppen, die sich allesamt auf den Islam berufen. Wir, die darüber reden oder schreiben, sollten nicht zulassen, dass diese Terroristen den Islam vereinnahmen. Wir, die klar erkennen können, dass hier der Versuch stattfindet, eine unüberbrückbare Mauer zwischen den „wahren Gläubigen“ und „Ungläubigen“ aufzubauen, wir haben die Verantwortung zum Wohle der ganzen Welt, den Islam von solchen Übergriffen zu schützen.
Und unser Kampf hat viel mit dem bewussten Umgang mit der Sprache zu tun.

Antifa gegen Saargida
„Das Geheimnis der Sprache ist groß; die Verantwortlichkeit für sie und ihre Reinheit ist symbolischer und geistiger Art, sie hat keineswegs nur künstlerischen, sondern allgemein moralischen Sinn, sie ist die Verantwortlichkeit selbst…“, schrieb Thomas Mann nachdem er Deutschland aus Protest gegen die Nazigesellschaft verlassen hatte.
Jedes Mal, wenn ich die Worte Islamismus, Islamist, Islamisierung lese oder höre, verspüre ich einen tiefen, schmerzhaften Riss und gleichzeitig eine Aufnahmeblockade – weitere Inhalte kann ich nur fetzenweise wahrnehmen. Irgendwie fühle ich mich gemeint, verantwortlich, schuldig, angegriffen. Aber kann ich wirklich was dafür?
Können Muslime was dafür? Viele Menschen wünschen sich Stellungnahmen der islamischen Gemeinden zu aktuellen Geschehnissen. Allein diese Erwartung zeigt, wie wenig sie vom muslimischen Leben in Deutschland kennen. Es wird so getan, als wären die Geistlichen der islamischen Gemeinden z.B. im Saarland überhaupt in der Lage, eine Presseerklärung zu schreiben und an die Medien weiterzuleiten. Dazu fehlt es leider nicht nur an Sprachkenntnissen, sondern auch an Strukturen, die sie mit der Mehrheitsgesellschaft verbinden. Gegenseitiges Desinteresse und Ablehnung hat sie an den gesellschaftlichen Rand gedrängt. Menschen mit muslimischem Hintergrund im Hinterhof. Mit hochgezogenen Mauern:
Muslim = Islamist= Mörder
Islam= Islamismus = Terror
Zumauern. Punkt.
„Mauern lassen sich nicht nur ziehen zwischen zwei Hälften einer Stadt, man kann sie auch zwischen Wörtern und ihrem menschlichen Inhalt errichten“, so Georg Steiner in seinem Essay „Das hohle Wunder“ (1959), über die deutsche Sprache.
Wenn wir zulassen, dass Hass unsere Worte formt, dann wird am Ende gemordet. Die Mauer des Hasses sind die, die am schwersten zu knacken sind.
Mein erster Tag nach dem langen Neujahrsempfang hat mit Erbrechen und Durchfall angefangen. Nicht, wie es vermutet werden könnte, weil ich viel gegessen oder zu viel getrunken habe, sondern weil ich die Bekanntschaft mit Herrn Norovirus gemacht habe. Wie im Internet nachzulesen ist, bringt er seine „Opfer“ nach nur 12 Stunden zum Erliegen. „Auch das Alter des Kranken spielt eine Rolle: bei Teenagern und Kindern kommt es eher zu Erbrechen, bei Erwachsenen wiederum mehr zu Durchfall“, heißt es dort. Aus meinem Krankheitsverlauf schließe ich, dass ich gerade noch im Mittelalter bin: mal das eine, mal das andere…

„Wir erleben die Vielfalt als wertvolle Bereicherung für das Leben in unserer Stadt und setzen jetzt kurz vor Weihnachten mit der Demonstration „HAND IN HAND FÜR VIELFALT“ ein ruhiges, aber kraftvolles Zeichen! Gerade jetzt, wenn so viele Menschen aus den Krisengebieten der Welt bei uns Zuflucht suchen, wünschen wir uns für Alt-Saarbrücken und für ganz Saarbrücken eine Kultur der Gastfreundschaft und des guten Miteinanders“, hieß es in dem Aufruf des Arbeitskreises Alt-Saarbrücken und des Projektes „Begegnung wagen und vertiefen“ in Alt-Saarbrücken.
Trotz des schlechten Wetters kamen ca. 800 Menschen vor die Ludwigskirche. Die Schirmherrin Oberbürgermeisterin Charlotte Britz war darüber sehr glücklich. Der Vorsitzender der DITIB Gemeinde Saarbrücken, Ismail Yigit, erzählte von den Ängsten, die muslimische Bürger in heutiger Zeit haben, ausgegrenzt zu werden, weil Extremisten weltweit den Islam für ihre politischen Ziele missbrauchen. Eugen Roth, Chef des saarländischen Gewerkschaftsbundes zitierte den gleichnamigen Dichter: „Ein Mensch fühlt oft sich wie verwandelt, sobald man menschlich ihn behandelt.“