„Ich persönlich kenne keinen Muslim. Das Bild, was ich von Muslimen habe, ist das Bild, das mir die Medien vermitteln.“ – diese Aussage trifft, laut Heiner Buchen, Pastoralreferent des Katholischen Dekanats, bei den meisten Teilnehmern des Projekts „Begegnung wagen: jüdisch-christlich-islamischer Dialog“ in Alt-Saarbrücken zu.
„Diese Feststellung hat uns dazu bewogen, uns mit diesem Thema näher zu beschäftigen und so haben wir einen Studientag „Islambild in deutschen Medien“ organisiert“, sagt Buchen, der auch Projektleiter ist. Das Projekt des interreligiösen Dialogs wird seit 2011 vom Dekanat Saarbrücken getragen und aus den Mitteln des Bundesförderprogramms „Toleranz fördern, Kompetenz stärken“ finanziert. Das Ziel ist, den Dialog der Religionen auf die Bürgerebene zu verlagern.
Bilde ich mir meine Meinung?
Für das Thema „Medien“ konnte Frau Dr. Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung aus Erlangen als Referentin gewonnen werden. Das Interesse war groß – über 20 Teilnehmern beschäftigten sich einen ganzen Samstag lang nicht nur mit der Mediendarstellung des Islam in Deutschland, sondern auch mit ihren eigenen Wahrnehmungen, Zweifeln und ihrem Wissensbedarf.
„Manchmal frage ich mich, ob meine Meinung wirklich die meine ist, oder ob ich sie einfach von den Medien übernommen habe“ beklagte eine Teilnehmerin ihre Selbstzweifel. Und genau das ist der Weg, auf den auch Dr. Schiffer am liebsten alle bringen möchte.
„Es ist schwer, sich als Medienkonsument zu distanzieren. Trotzdem muss man lernen, die Medien kritisch zu beobachten. Seit den 80er Jahren wird der Islam in Medien in gleichen Frames dargestellt – als rückschrittlich, frauenunterdrückerisch und antifreiheitlich. Vieles wird verallgemeinert; die Bilder von einer Moschee, einer bedeckten Frau oder betenden Menschen symbolisieren sowohl den Islam, als auch den Islamismus.“, erklärt Dr. Schiffer.
Islam als Vorwand
„Religionisierung“ nennt sie den Prozess in dem wir uns befinden. Alles bekommt einen religiösen Stempel, sei es der Afghanistankrieg oder die Integrationsdebatte in Deutschland. Auf diese Weise wird man, so Schiffer, von größeren Problemen abgelenkt. Am plausibelsten kann man dies am Beispiel des Frauenthemas zeigen. Frauenfeindlichkeit ist ein Weltproblem. Auch in Deutschland haben wir strukturelle Ungleichbehandlung der Männern und Frauen. Hierzulande erfahren 40 Prozent aller Frauen mindestens einmal im Leben körperliche oder sexuelle Gewalt. In dem Moment aber, in dem unser Blick nur auf die Frauen im Islam gelenkt wird, verlieren wir den Überblick über das Gesamtproblem und seiner Lösung. „So lange wir uns mit der Frage beschäftigen, ob jetzt die Scharia nach Deutschland kommt, fragen wir nicht, wer mit Saudis Geschäfte macht“, so Dr. Schiffer.
Und wie kommt man aus diesem Kreis heraus?
Nach der Rassismus Theorie ist es ein Unterschied, ob man als Minderheit einen abgrenzenden Diskurs führt oder als Mehrheit. Rassismus ist Vorurteil plus Macht.
Nach Dr. Schiffer ist es ein weitverbreitetes Klischee, dass Rassismus in Deutschland nicht existiert.
Allein die Begriffe Israelkritik und Islamkritik, zum Beispiel, sind gleich problematisch: In beiden ist die Verallgemeinerung schon drin. Oft aus Unachtsamkeit und manchmal zu manipulativen Zwecken.
Kritik oder Rassismus?
„Jeder sollte lernen, Kritik von Rassismus zu unterscheiden. Klar gibt es bei Muslimen viele kritikwürdige Punkte. Wie woanders auch. Sie sollen auch kritisiert werden. Daraus aber eine Verallgemeinerung zu machen ist Rassismus!“, warnt Dr. Schiffer und rät den Dialogführenden: „Noch bevor man sich Gedanken über den Anderen macht, sollte man über sich selbst nachdenken und dann eine wohlwollende Begegnung suchen. Die bestehende Polarisierung kann man, auch ohne dass man sich für Religion interessiert, durch gemeinsames, zielgerichtetes Handeln durchbrechen. Und davon darf man sich durch Nichts abbringen lassen!
admin says
Hallo Anja,
es ist schön, wenn jemand, so wie du auch, neugierig ist, sich für etwas näher interessiert und positive Erfahrungen macht. Die meisten Menschen sind gar nicht religiös und interessieren sich nicht für das religiöse Leben von anderen. Und das ist auch in Ordnung! Ob ich jemanden als Mensch mag, ihn sympathisch finde, mich mit ihm gerne unterhalte, ihm vertraue oder nicht, sollte mit seiner Religion (oder Hautfarbe, Nation, Geschlecht etc.) nichts zu tun haben.
Anja Kirsch says
Hallo,
es gibt jedes Jahr den Tag der offenen Moschee, wo man mit Menschen islamischen Glaubens sprechen, sich informieren und auch Fragen stellen kann. Dabei kann man feststellen, dass Vieles von dem, was in den Medien vermittelt wird, einfach total falsch ist und nur dazu beiträgt, Hass und Angst zu stiften, z.B. der immer wieder genannte Dschihad, was angeblich Heiliger Krieg bedeutet, was aber nicht richtig ist. Ich habe dabei sehr viel gelernt, was mir auch einen Teil der Ängste vor „dem“ Islam (den es als solchen so verallgemeinert gar nicht gibt) genommen hat.
Es ist leider einfacher, in der Zeitung irgendeinen Mist zu lesen, als den Mut aufzubringen, als auf einen Moslem zuzugehen und ihn anzusprechen und dann festzustellen, dass die Realität vielleicht doch anders und differenzierter ist als das Einheitsbild der Zeitung.