„Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandkommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.
Man kann sagen, der Mensch ist nur der mechanische Halter eines Passes. Der Paß wird ihm in die Brusttasche gesteckt wie die Aktienpakete in das Safe gesteckt werden, das an und für sich keinen Wert hat, aber Wertgegenstände enthält.
Und doch könnte man behaupten, dass der Mensch in gewisser Hinsicht für den Paß notwendig ist. Der Paß ist die Hauptsach, Hut ab vor ihm, aber ohne dazugehörigen Menschen wäre er nicht möglich oder mindestens nicht ganz…“
Zitat aus „Flüchtlingsgesprächen“ von Bertolt Brecht, geboren 1898 in Augsburg, gestorben 1956 in Berlin. Schon 1933 flüchtete er aus Deutschland ins Exil.
Warum rührt mich dieses Zitat? Nun, weil ich auch selbst Flüchtling bin.
Aber warum jetzt? Es fallen mir einige mögliche Gründe ein: 1. weil mich die Geschichte mit den armen rumänischen Arbeitern am Bostalsee erschüttert. 2. weil ich nach 20 Jahren leben in Deutschland keine politischen Rechte habe – die kann ich nur dann bekommen, wenn ich einen deutschen Pass habe und den kann ich nicht bekommen. 3. weil der lange Winter mein Optimismus eingefroren hat?
„Flüchtlingsgespräche“ hat Brecht in den frühen vierziger Jahren geschrieben. So unterhielten sich zwei aus Deutschland Vertriebene am Hauptbahnhof von Helsinki über die internationale Lage und die eigene Situation. „Wer keinen Pass hat, ist ein Hund“ ist ein 2004 erschienener Dokumetarfilm von Bruno Moll, in dem gezeigt wird wie die Stimmungslage in der Zeit war, als Brecht flüchtete und im Exil lebte, und sein damaliges Verhältnis zur Schweiz. Brecht war ein einflussreicher deutscher Dramatiker und Dichter. Seine Werke werden weltweit aufgeführt.
Dietmar says
Hallo Sadija
die Ermessenseinbürgerung wird von den Behörden angewandt, wenn ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Sicherlich sind da auch doppelte Staatsbürgerschaften möglich, das ist m.E. aber eher eine Ausnahme der Einbürgerung statt einer Regel.
Alle juristischen Möglichkeiten der Einbürgerung hier zu diskutieren, ist doch eher etwas für ein Juraforum.
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/IB/Einbuergerung/ee-ermessenseinbuergerung.html
Nun zum Thema Wahlrecht.
Tatsache ist, dass Bürger der EU aufgrund des Maastrichter Vertrages ein kommunales Wahlrecht haben, wenn ihr Hauptwohnsitz in Deutschland ist.
Das wurde möglich, da dem Art. 28 Abs1 GG der Satz hinzugefügt wurde Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar
Das Landes und Bundeswahlrecht haben nur Bürger, die durch Anerkennung der Staatsbürgerschaft „Deutsches Staatsvolk“ sind.
Damit ist den hier lebenden ausländischen Mitbürgern erst einmal die Möglichkeit gegeben, ihren politischen Willen auszudrücken. Bleibt der spezielle Fall, Bürger eines Landes zu sein das nicht in der EU ist.
Hier gibt es schlicht keine gesetzliche Basis für ein Wahlrecht.
Man könnte nun über eine politische Mehrheit versuchen, den nicht EU Bürger mit dem EU Bürger gleichzusetzen, Hauptsache der Hauptwohnsitz ist in der deutschen Gemeinde.
Die Idee finde ich nicht mal schlecht, man müsste nur diesen o.g. Satz in Art. 28 noch einmal verändern.
Reporterin says
Hallo Dietmar,
manche Menschen können in Deutschland eingebürgert werden sobald sie sich hier rechtmäßig und gewöhnlich aufhalten, eine Unterkunft haben, einen Antrag gestellt haben und nicht wegen einer Straftat verurteilt sind!
Die meisten Menschen, die eingebürgert werden wollen müssen sich seit 8 Jahren in Deutschland aufhalten und einige andere Bedingungen erfüllen. Es geht aber auch schneller und einfacher. Dank Ermessungseinbürgerung. Diese erleichterte Einbürgerung trifft auch die Unionsbürger. So kann ein italienisch stämmiger Arbeiter eher die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen als ein türkisch stämmiger. Mehr noch: er darf auch die doppelte Staatsbürgerschaft haben! Als Unionsbürger hat er auch das Kommunalwahlrecht am Wohnort.
Es gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1990 wonach die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts (also unabhängig von der Staatsbürgerschaft, sondern abhängig von der Wohndauer eines Menschen) verfassungswidrig ist. Die damalige Begründung bezog sich auf Artikel 20 des Grundgesetzes, der besagt, dass alle Staatsgewalt vom Staatsvolk ausgeht und in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. Das Staatsvolk wird nach bisheriger Rechtsprechung grundsätzlich als „deutsches Staatsvolk“, also bestehend aus deutschen Staatsangehörigen definiert.
Im Jahr 1992 unterschrieb Deutschland aber den Vertrag von Maastricht, mit dem die Unionsbürgerschaft und somit europäische Gesetzgebung eingeführt wurde. Ab da sind Ausländer aus den Staaten der Europäischen Union in den Städten und Gemeinden wahlberechtigt. Verfassungswidrig, so zu sagen!
Also müsste man, wenn man alle Bürger gleichberechtigt behandeln und keine Menschen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminieren will, das Grundgesetz ändern. Das Grundgesetz wird in Deutschland oft verändert, wenn politische Mehrheiten dazu stehen.
Dietmar says
Hallo Sadia
nur mal für mich zum Verständnis, du behauptest ein italienisch stämmiger Arbeiter kann eher die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen als ein türkisch stämmiger?
Das habe ich bisher anders verstanden.
Gleiche Pflichten gleiche Rechte, es gibt nur eine Gesetzgebung und es gibt ein Antidiskriminierungsgesetz. Wer sich ungerecht behandelt fühlt kann das zum Glück einklagen.
Reporter says
Dietmar, du hast Recht, wenn du sagst, dass man diese Missstände nur durch politische Überzeugungsarbeit ändern kann. Bis auf die CDU/CSU haben andere politischen Parteien schon seit Jahren diese Missstände erkannt. Und setzen sich dafür ein, dass das kommunale Wahlrecht für alle Einwohner unabhängig von der Staatsangehörigkeit (abhängig von Wohndauer) gelten soll, sowie für das Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft für alle. Es ändert sich trotzdem nichts. Ich versuche zu erinnern, dass Menschen davon betroffen sind.
Ich denke nicht, dass sich jeder Mensch in die Lage eines Anderen versetzen muss, um das Unrecht zu erkennen. Millionen von Menschen haben eine andere emotionale Bindung zum eigenen Pass. Was jeder machen kann, ist sich die Frage zu stellen, ob er es gut findet, dass Menschen in einer Gesellschaft, in der sie zusammen leben, ungleich behandelt werden. Und zwar abhängig von einem Stück Papier das man Pass nennt? Ein Beispiel: Zwei Männer schmiedeten zusammen ihr ganzes Leben lang Eisenteile beim Burbacher Stahlwerk: ein Italiener und ein Türke. Finde ich es richtig, dass der Mann mit italienischem Pass die Oberbürgermeisterin wählen kann und neben seinem italienischen auch den deutschen Pass besitzen darf und der Mann mit dem türkischen Pass das alles nicht darf?
Nun können Menschen untereinander sich auch sympathisch oder unsympathisch finden und danach manchmal denken und handeln. Ein Staat darf das nicht. Er darf die Menschen nicht diskriminieren. Gleiche Pflichten, gleiche Rechte. Für einige Millionen von Menschen, die in Deutschland seit vielen Jahren leben gilt das nicht.
Dietmar says
Hallo zusammen,
da werden ja nun viele Dinge vermischt. Erst einmal ist die Gesetzeslage so wie sie ist, Mehrstaatigkeit ist eben nur in besonderen Fällen möglich. Möchte man das ändern, so muss man durch Überzeugungsarbeit an der regierenden Koalition eine Gesetzesänderung erwirken. Die Mitarbeit in politischen Gremien und Parteien ist ja von der Staatsbürgerschaft unabhängig.
Allerdings finde ich es befremdlich, nun seine emotionale Bindung an ein Land von einem Stück Papier abhängig zu sehen. Im Herzen bleibst du doch Bosnierin, auch wenn der zugehörige bosnische Pass keine Gültigkeit mehr hat. Das Leben, die Kultur, die Mentalität und auch der Stolz verschwinden nicht durch ein Loch in einem Stück Papier.
Reporter says
Hallo Dietmar,
ich würde sofort einen Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft stellen, wenn ich dafür nicht meine bosnische Staatsbürgerschaft abgeben müsste. Da ich dieses emotional nicht verkraften kann, werden mir in Deutschland politische Rechte verweigert. Wäre ich aber eine Portugiesin oder Italienerin wäre das kein Problem. Dann dürfte ich die doppelte Staatsangehörigkeit haben. Auch für einen Amerikaner ist es meist ein leichtes Spiel, die beiden Pässe zu haben. Wenn ein Mensch z. B. als Russe, Türke oder Bosnier mit entsprechendem Pass geboren ist, dann hat er eben Pech. Er kann hier geboren sein, Rentenansprüche erwerben, Häuser besitzen… Ob er jemals eingebürgert wird oder gar die doppelte Staatsbürgerschaft bekommt, liegt letztendlich im Ermessen des Sachbearbeiters. So ist z.B. für einen Kurden die Einbürgerung (besonders wenn er in einem kurdischen Verein Mitglied ist) fast ausgeschlossen, da er ja unter Verdacht steht die PKK zu unterstützen. Einem 73-jährigen Türken, der in seinen besten Jahren in einem deutschen Stahlwerk gearbeitet hat wird die Einbürgerung verweigert, weil er Deutsch nicht auf B1 Sprachniveau beherrscht (er kann ja noch lernen!) oder als Einbürgerungsgrund die erleichterte Reisemöglichkeit angibt. Und eine russische Lehrerin, die es trotz jahrelanger Nicht-Anerkennung ihres Abschlusses und ihrer Fähigkeiten gerade zu einer Arbeitsstelle geschafft hat, wird mit der Frage schikaniert: „Ja, wissen wir denn wovon sie in 5 Jahren leben werden?“
Die vielen Einbürgerungsvarianten sind die beste Illustration für die Einbürgerungshindernisse. Siehe hier:
http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragtefuerIntegration/Staatsangehoerigkeit/_node.html
Dietmar says
Hallo Reporter
zu 2. Warum sollte das nicht gehen?
Voraussetzungen zur Einbürgerung
Ist man nicht mit der Geburt Deutsche oder Deutscher, haben Personen einen Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
Sie verfügen über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland
Sie leben seit mindestens acht Jahren gewöhnlich und rechtmäßig in Deutschland
Sie sichern für sich und ihre Familienangehörige ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld den Lebensunterhalt
Sie verfügen über ausreichende Deutschkenntnisse
Sie haben einen Einbürgerungstest über die deutsche Rechts- und Gesellschaftsordnung bestanden
Sie sind nicht wegen einer Straftat verurteilt
Sie bekennen sich zum deutsche Grundgesetz
Sie haben ihre alte Staatsangehörigkeit verloren oder geben sie auf
Quelle http://www.bundesauslaenderbeauftragte.de/einbuergerung.html