Zu der am 13. September 2014 in der ehemaligen Erzhalle der Völklinger Hütte eröffnete Ausstellung „Die Röchlings und die Völklinger Hütte“ kommen kaum Besucher. Das ist auch gut so! Warum?
Es gab und gibt Industrielle, auf die die Menschheit stolz sein kann. Das sind solche, die auch unter Einsatz eigenen Vermögens und Lebens den Respekt vor einem Menschenleben bewahren. Das bekannteste Beispiel ist der deutscher Industrielle Oskar Schindler, der 1.200 „seiner“ jüdischen Zwangsarbeiter während der Nazizeit in Deutschland das Leben rettete.
Und es gab und gibt Industrielle, zu denen nur ihre Familien und ein kleiner Kreis von Bewunderern aufschauen. Das sind solche, die in ihrem Größenwahn und ihre Geldgier alles niedertrampeln, was ihnen im Wege steht. Auch Menschenleben. So einer war Hermann Röchling. Und dennoch: Wenn er heute noch leben würde, gäbe es im Saarland Menschen, die ihm in ihrer unbegrenzten Verehrung überall hin blind folgen und ihre Kinder auf die Straße schicken würden, damit dieser „König von der Saar“ ihnen Bonbons von seinem Pferd zuwerfen kann. So wie er es in seinem langen Leben zu machen pflegte.
Auch wenn er seit 1955 nicht mehr lebt, wird in Völklingen ständig an seiner kultigen Verehrung gearbeitet. Zuletzt durch die hochpolierte Ausstellung „Die Röchlings und die Völklinger Hütte“. Bezahlt hat die Familie Röchling. Und zwar über die „Ulli und Uwe Kai Stiftung“, die offensichtlich nur auf dem Papier existiert, damit die Gelder, die eigentlich aus der „Röchling Stiftung“ kommen, anonym bleiben. Zu dieser Phantomstiftung findet sich lediglich eine Todesanzeige aus dem Jahre 2010, aus der zu erfahren ist, dass Uwe Kai „viele Jahre Mitglied des Vorstands des „Familie Röchling e.V.“ war. Er hat sich engagiert und erfolgreich für die Ziele unseres Vereins eingesetzt…“ heißt es darin.
„Die Röchlings“, das sind heute mehr als 200 Mitglieder einer der reichsten Familien in Deutschland. Reich sind sie durch die Völklinger Hütte geworden. Dort wurde Stahl für die deutsche Kriegsführung produziert. Hermann Röchling führte die Hütte durch beide Weltkriege, an denen er sich auch maßgebend politisch beteiligte. Dafür wurde er 1918, nach dem ersten und 1949 nach dem zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher verurteilt. Verbrechen gegen die Menschheit. Dazu gehören u. A. Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges, Deportation, Versklavung und Tötung von Menschen aus politischen, ethnischen oder rassistischen Gründen, etc. Das sind nach heutigem Ermessen die schlimmsten Verbrechen, die ein Mensch begehen kann.
Hermann Röchling wird schon 1935 als damals 63-jähriger Mitglied der Nazipartei NSDAP, er ist einer der wichtigsten Berater Hitlers und sein Wehrwirtschaftsführer. Um Hitlers Welteroberungsträume zu erfüllen und seinen eigenen Reichtum zu mehren, ist er bis zur Kapitulation einer der fanatischsten Kriegstreiber. Damit ist er nicht nur für den Tod von Millionen von Menschen, sondern auch für die Zerstörung des eigenen Heimatlandes mitverantwortlich. Und während die Deutschen in Russland kämpften, mussten Russen, Polen, Serben und nach 1943 auch Italiener in der Völklinger Hütte unter Zwang das Eisen für die Waffenherstellung produzieren. Es gab ein werkseigenes Konzentrationslager in dem mindestens 256 Zwangsarbeiter ums Leben gekommen sind…
Das Werk Völklingen wurde 1945 nach der deutschen Kapitulation unter französische Verwaltung gestellt. In Abwesenheit des verhafteten Hermann Röchling wurde die Hütte wiederaufgebaut und erreichte 1952 wieder die Vorkriegskapazität. Nach Wiedereingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland 1955 wurde sie der Familie zurückgegeben.
Nachdem 1975 die Dauerkrise in der Stahlindustrie eingesetzt hatte, verkaufte die Familie Röchling ihre Völklinger und Burbacher Hütte an das Land Saarland. Die Familie investierte nun ihr Vermögen in einen anderen waffenherstellenden Konzern, die „Rheinmetall AG“. Zudem ist sie heute einer der Weltführer in der Kunststoffindustrie. Der Sitz des unvorstellbar reichen Familienunternehmens ist in Mannheim.
Um die nun gekauften Hütten zu sanieren, musste das Saarland mehrere kostenintensive Maßnahmen der öffentlichen Hand unter Beteiligung der Bundesrepublik durchführen. Am Ende blieb nur noch das Unternehmen „Saarstahl“ übrig. Kein Geld. Das Saarland blieb arm. Die Stadt Völklingen auch.
Und dennoch sollen wir alle im Saarland glauben der Familie Röchling etwas zu schulden. Ihr Respekt zollen zu müssen?!
Die Ausstellung „Die Röchlings und die Völklinger Hütte“ ist seit September 2014 in Völklingen zu sehen. Hendrik Kersten, der Kunsthistoriker im Weltkulturerbe Völklinger Hütte hat unter wissenschaftlichen Recherchen der Journalistin und Historikerin Dr. Inge Plettenberg an der Ausstellung mitgearbeitet. Bei einer, von der Aktion 3. Welt organisierten, drei Stunden dauernden Führung konnte von ihm folgendes erfahren werden:
„die Zwangsarbeiter wurden überall eingesetzt, auch in Privathaushalten, das war nichts Besonderes… Zwangsarbeit ist sauberst zu trennen von dem System Vernichtung durch Arbeit, diese schrecklichen Exzesse, das ist eine andere Schiene, als hier die Zwangsarbeit, wo es darum ging die Wertschöpfung zu erzielen“
„…Hermann Röchling war kein Antisemit…“
„Herman… „… in seinem Parteimitgliedsbuch steht als Beruf Hüttenarbeiter… Humor hatte der Bursche“
Und wie ist die Fotowand, die das Herzstück der Kultbildung um Hermann Röchling darstellt, entstanden? Herr Kersten beschreibt wie er in dem Familienalbum der Röchlings geblättert hat und die Fotos ausgesucht hat: „Hermann“ als kleines Kind, dann als einjähriger freiwilliger Dragoner, dann einmal im Zivilanzug, dann um 1910 herum schon mit schütterem Haar…
„… und hier haben wir unseren Hermann, wie wir ihn eigentlich kennen: der kahle Schädel mit diesen beiden Narben durch Schmisse. Das waren hier ordentliche Schmisse, da muss man sich schon freiwillig stellen, mit so einem Ding…“, so Kersten.
Neben der Fotowand sind noch eine Eisenmaske mit seinem Bildnis, nachgebauter Zeugenstand bei seinem Gerichtsprozess in Rastatt, ein Schwert, dass er dem „Landesfürsten“ Franz Josef Röder geschenkt hatte und einiges mehr zu sehen.
Und wie ist die Ausstellung entstanden? Die Familie hat ihre Archive geöffnet und die Ölgemälde aus ihren „Palästen“ ausgeliehen. Dazu hat man einige Unterlagen wie zum Beispiel das Handelsregister aus den saarländischen Archiven besorgt. Ansonsten wurde keinerlei Forschung durchgeführt. Noch nicht mal im Bundesarchiv. Das wird mit „zu wenig Zeit“ erklärt! Dabei wurde diese Ausstellung bereits 2004 angekündigt!
So erfährt der Besucher auch nichts darüber, ob die Familie sich an dem, unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit von deutscher Industrie und der Bundesrepublik erschaffenem Fonds zur Entschädigung der Zwangsarbeiter wenigstens mit einem kleinen Teil ihres Profits beteiligt hat. Auch über die Arbeitsbedingungen und das Leben der Hüttenarbeiter erfährt man so gut wie gar nichts. Der NS-Terror gegen die Völklinger Arbeiterbewegung 1935, an dem Herman Röchling aktiv beteiligt war, bleibt in der Ausstellung auch unerwähnt. Und es gibt noch niemanden, der im Namen der Arbeiter seine Proteststimme erhebt!
Die Völklinger und das Saarland haben für die Hütte teuer bezahlt! Und sie gehört ihnen! Jetzt haben sie ein eimaliges Industriedenkmal, das in das UNESCO Welterbe aufgenommen wurde. Das ist doch der richtige Ort an dem die Hüttenarbeiter und ihre Familien, wie auch die „Fremdarbeiter“, die zur Arbeit gezwungen waren, geehrt werden sollen! Diejenigen, die ihr Leben für die Hütte gegeben haben, die die Hütte wiederaufgebaut und als Steuerzahler mit eigenem Geld saniert haben!
Und nicht ein Ort, an dem eine Familie glorifiziert wird, die daran ihren Reichtum gemacht hat, und als es hier für sie nichts mehr zu holen gab, auf ihrem Profitzug durch die Waffenproduktion, einfach weitergewandert ist.