„Besser kann man es nicht machen!“, fand die Jury des Deutschen Kinemathekenverbundes und begründete damit ihre Auswahl für den ersten Platz des Kinopreises 2013 in der Kategorie „Kommunales und soziales Engagement des Kinos vor Ort“. Und der Gewinner ist: Das Kino 8 ½ aus Saarbrücken.
Seit 14 Jahren werden mit dem Kinopreis alljährlich und in vier Kategorien Kinos für ihre herausragenden Programme und ihr kontinuierliches Engagement für eine anspruchsvolle und vielfältige Kinokultur in Deutschland gewürdigt.
Das Kino achteinhalb gilt ohnehin seit Jahren als Musterkommunalkino, um das Saarbrücken von vielen Städten beneidet wird. Wie schafft es so ein kleines Kino über zwei Jahrzehnte zu bestehen und was bedeutet es für das Saarland, als Filmfestivalstandort? Darüber sprachen wir mit Ingrid Kraus und Waldemar Spallek, die zwei tragenden Säulen des Kinos achteinhalb.
Es ist nicht das erste Mal, dass ihr Bundespreise für eure Arbeit bekommt. Erwähnt sei der DEFA Programmpreis 2008. Was bedeutet diese neue Auszeichnung für euch?
IK (Ingrid Kraus): Dass unsere Arbeit anerkannt wird und dass das, was wir zeigen auch von anderen als gut bewertet wird.
WS (Waldemar Spallek): Wir freuen uns besonders, dass wir genau dafür ausgezeichnet werden, was unsere Stärke ist: die Vernetzung und die Synergieeffekte, die wir damit erzielen. Dieser Preis ist ein Scheinwerfer, der sagt: „ Schau mal hin, die sind was Besonderes!“ Das ist auch eine Auszeichnung für diese Stadt und die Region.
Jurybegründung: Ein Kino, das sich in beeindruckender Weise in einer Stadt, in der es von Kinokonkurrenz nur so wimmelt, sein ganz eigenes und unverwechselbares Profil geschaffen hat. Und zwar, indem es sich im besten Sinne als Kinowerkstatt begreift und es wunderbar versteht, das Kino zu einem Ort des gemeinsamen Austauschs zu machen, einem Ort, an dem man fragt und hinterfragt, dazulernt und sich inspirieren lassen kann. Möglichst viele unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sollen angesprochen und für das Medium Film interessiert werden.
IK: Wir hoffen dadurch noch mehr Anerkennung im Saarland zu finden und was die Forderung betrifft, dass unsere Zuschüsse in diesen schwierigen Zeiten, in denen man die freiwilligen Leistungen zurückfahren will, mindestens erhalten bleiben. Und dass eventueller Zusatzbedarf auch gedeckt wird, was sonst immer ein Problem ist.
WS: Wir wissen, dass Saarland in einer schwierigen Lage ist und dass man überlegen muss wofür man das Geld gibt. Und dann ist die Qualität – und unser Preis ist ein Qualitätssiegel – ein gutes Mittel bei Entscheidungen. Wir bemühen uns um weitere Mittel und müssen sowieso zunehmend auf die Sponsorengelder, Stiftungen etc. zurückgreifen, aber wir brauchen auf jeden Fall eine zuverlässige Basisfinanzierung.
Wie funktioniert es mit eurem Kino und der Politik?
IK: Bisher haben wir parteiübergreifend Fürsprecher. Traditionell sind wir vom Land finanziert worden, weil es dort kurzzeitig eine Filmförderung gab. Die Stadt hat sich am Anfang etwas schwer damit getan uns zu unterstützen, weil sie schon das Filmhaus hat.
WS: Ja, dadurch müssen wir, wenn wir Gespräche mit den Fraktionen führen auch darlegen, dass unsere Arbeit im kommunalen Bereich wichtig ist, wir machen etwas andere Arbeit als das Filmhaus und beide Kinos ergänzen sich gut.
„Man muss wahnsinniges Durchhaltevermögen haben. Am Anfang steht man da, liebt zwar das Kino, muss aber auch von etwas leben. Es ist schwer, man erlebt viele politische Konstellationen, es kostet viel Arbeit und viel Selbstausbeutung, viele Rückschläge müssen verkraftet werden. Aber wir haben uns immer wieder zusammengefunden und aufgestellt, um unsere Linie weiter zu führen“, beschreiben Kraus und Spallek ihren Erfolgskurs.
Zukunft der Kinolandschaft in Saarbrücken?
IK: Das Angebot in Saarbücken ist sehr gut, weil fast alles gezeigt wird, was von Relevanz ist. Ich bin mir sicher, dass die Zuschauerzahlen insgesamt gestiegen sind seit es die Camera Zwo gibt.
WS: Es gibt nicht viele Städte dieser Größe, die ein so gutes, differenziertes Angebot haben und das führt zu steigenden Besucherzahlen. So zieht die Camera Zwo mit ihren Programmkinofilmen die Zuschauer an. Dadurch inspiriert, kommen sie dann zu uns oder zum Filmhaus wegen besondere Filmreihen, Retrospektiven, Originalfassungen mit Untertiteln und den den Regisseuren, die oft zu Gast sind. Aus unserer Sicht und aus der Sicht der Zuschauer ist es am besten, wenn alle Kinos erhalten bleiben, weil wir uns nicht gegenseitig die Zuschauer nehmen, weil wir unterschiedliche Profile haben und diese Profile auch weiterhin schärfen werden. Es ist enorm wichtig, dass Politiker, die darüber entscheiden wie das Geld innerhalb der Kulturausgaben aufgeteilt wird, wozu hier auch der Zoo gehört, den Stellenwert dieser Kinokultur erkennen.
IK: Das ist auch der Ansatzpunkt, warum wir möchten, dass Kulturförderung einen gefestigten Stellenwert bekommt und nicht, dass gerade an Kultur immer gespart wird. Das Kino ist auch ein sozialer Ort. Wir machen viel für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, es kommen auch Leute mit dem Sozialpass, die zum Teil freien oder ermäßigten Zutritt haben. Hier werden nicht nur Filme gesehen, sondern man begegnet sich, diskutiert und dann wird, wie so oft mit einer Kulturveranstaltung, viel angestoßen. Und das andere Argument ist der Standortfaktor. Das hat sich überall bewiesen, dass man für einen guten Wirtschaftsstandort auch gute kulturelle Angebote braucht.
WS: Wir verstehen, dass es harte Zeiten sind und gespart werden muss. Aber der Kulturposten im ganzen Haushalt beträgt nur 1,8%! Und weit und breit gibt es kein vergleichbares Angebot, die nächste Orte wären Luxemburg oder Mannheim!
In der Sommerpause wurde die neue Technik installiert.
IK: Die neuen Filme werden nicht mehr in alten 35mm Formaten hergestellt. Deshalb mussten wir auf DCP-Format umsteigen. Jetzt können wir alle üblichen Kinoformate zeigen.
WS: Unmittelbare positive Auswirkung wird die sein, dass wir alle Filme in zwei Sprachen werden zeigen können. Früher haben wir dafür zwei Riesenpakete mit Filmrollen gebraucht, die Vorführer haben viel mehr physischer Arbeit mit der Montage gehabt und man musste doppelt bezahlen. Jetzt zahlt man denselben Preis. Viel mehr wissen wir nicht, weil es noch nicht so viele Erfahrungen damit gibt, da es erst seit zwei Jahren existiert. Ich denke in einem Jahr werden die Hälfte der Filme im neuen DCP-Format sein, ein Drittel im alten 35mm darunter viele Klassiker, Stummfilme, die noch nicht digitalisiert sind und dann aufgrund von vielen speziellen Programmen, die eventuell aus dem Ausland kommen, wird es die DVD, bzw. die Blu-Ray auch noch geben.
Für die, die es nicht kennen, wie funktioniert ein Kino, bzw. das Kino achteinhalb?
IK: Im Büro sind drei Menschen beschäftigt und 1 Filmvorführer ist fest angestellt. Dazu kommen noch drei Aushilfsvorführer und die Kinogruppe. Die besteht aus 15-20 Personen, die öfter wechseln, weil viele StudentInnen sind, aber es gibt auch ältere Menschen. Da kann jeder mitmachen und auch eigene Ideen einbringen. Es gab verschiedene Filmreihen, wie z.B. im letzten Jahr „Meilensteine der Filmgeschichte“, die große Erfolge waren und als Ideen aus der Gruppe kamen.
Das Kino achteinhalb hat 74 feste Stühle, bei besonderen Ereignissen können maximal 99 Plätze besetzt werden und es ist das einzige behindertengerechte Kino in Saarbrücken. 50% aller bespielten Filme sind deutsche Produktionen oder Koproduktionen. Weitere 20% sind europäische Filme. Im Jahr 2012 wurden 223, davon 166 europäische Filme gezeigt. Es gab insgesamt 408 Vorstellungen.
WS: Wir sind ein gemeinnütziger, eingetragener Verein in dem aktive Mitglieder keinen Beitrag zahlen, sich aber mit ehrenamtlicher Arbeit einbringen. Vorwiegend sind das ehrenamtlichen Kassendienste, aber auch andere willkommene Tätigkeiten, wie z.B. Computerarbeiten. Wir haben auch Fördermitglieder, die keine Zeit haben sich persönlich einzubringen, die aber gerne einen Mitgliedsbeitrag zahlen und uns damit unterstützen. Das ganze wird von uns geleitet und einmal im Monat haben wir eine Vereinssitzung, auf der alle Fragen besprochen werden. Und zusätzlich gibt es noch ein Sommer- und ein Weihnachtsfest. Diese Struktur ist langsam entstanden. Jeder von uns, die jetzt fest angestellt sind, hat im Durchschnitt 7 Jahre auf verschiedenste Arten auf Honorarbasis, als ABM und so weiter hier gearbeitet, bis es zur Festanstellung kam. Es ist absolut notwendig, bei so vielen Veranstaltungen, Gästen, Kooperationspartnern, Programmheften, Flyern, Plakaten, dem Internetauftritt und so weiter, drei Leute im Büro zu haben. Dennoch sind die Kosten gering, weil wir angesichts der Leistung und unseren Qualifikationen schlecht bezahlt werden.
Wie funktioniert die Programmzusammenstellung, das Netzwerken?
IK: Wir haben viele Kooperationspartner, mit manchen arbeiten wir punktuell, oder immer mal wieder und mit manchen regelmäßig. In letzter Zeit haben wir sehr viele Anfragen von verschiedensten Institutionen, ob wir dieses oder jenes zusammen machen könnten. So ist z.B. der November fast komplett ausgebucht. Und diese Kooperationspartner finanzieren auch das Kino mit einem Teil. Etwa ein Drittel der Einnahmen kommt durch unsere Kooperationspartner. Es gibt auch eine andere Programmarbeit: man nimmt sich ein Thema vor, das man längerfristig bearbeiten will. Jetzt werden wir wahrscheinlich etwas zum Dokumentarfilm machen und das sind dann längere Prozesse, bis man die Filme zusammengestellt hat. Die meiste Zeit braucht man für die Detektivarbeit, nachzuforschen, wo es die Filme überhaupt gibt. Es ist heute etwas einfacher geworden, weil DVDs zur Verfügung stehen, aber wenn es keine Rechte gibt, dann kann man den Film auch nicht zeigen. Außer, wenn nachgewiesen wird, dass keine Rechteinhaber für den Film zu finden sind, ansonsten sind einem die Hände gebunden. Oder die Rechte sind zu teuer.
WS: Die Kooperationen entwickeln sich unterschiedlich. Es gibt Partner mit denen wir klein angefangen haben und mit denen sich die Zusammenarbeit über Jahre entwickelt hat. Dadurch haben sich manche Programme und sogar kleine Festivals etabliert: Wie z.B. „Kuba im Film“, „Jüdische Filmtage“, „Afrikanische Filmtage“ (viele Gäste, ausländische Lizenzen und Filmen…) Wenn bei solchen Institutionen auch mal die Personen wechseln, bleibt die Kooperation mit unserem Kino meistens erhalten. Anderseits gibt es Partner, die gleich mit der Vorstellung einer längerfristigen Zusammenarbeit zu uns kommen, wie z.B. der LSVD, der gesagt hat, alle zwei Monate einen Film zeigen zu wollen. Oder die Filmfreunde Saar, die VHS, und dann diskutieren wir gemeinsam, wie und was am besten passt. So wird auch das neue Publikum gewonnen – es gibt viele Zuschauer, die wir ohne diese Vernetzung gar nicht erreichen würden.
„Es sind auch Firmenjubiläen, Vereinsfeiern, Weihnachtsfeiern im Kino möglich. Auch Kindergeburtstage, aber nur als Matinee oder Nachmittagstermine“, so Waldemar Spallek.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Max-Ophüls Festival?
WS: Wir machen 22 Vorstellungen während des MOPs, und im Durchschnitt sind dann alle unsere Plätze belegt. Das Festival ist die Gelegenheit, Fachleute zu empfangen. Zahlreiche Filmemacher, Kritiker, Kinoverleiher, Fernseherredakteure lernen unser Kino kennen. Wenn sie unser Programm sehen, sind sie ausnahmslos begeistert von dieser Art Kino. Wenn wir sie dann später für einen Besuch einladen, dann müssen wir sie nicht lange überreden. Wir können nicht viel bezahlen, aber sie kommen trotzdem gerne. Außerdem sorgen wir bei den Filmvorstellungen dafür, dass wir immer Zeit für Diskussion mit den Zuschauern haben. In unserem kleinen, familiären Raum laufen sie gut, weil Menschen von unserer eigenen Moderation begleitet, weniger Hemmungen haben, Fragen zu stellen.
2015 ist das 25. Jubiläum des Kinos im Nauwieser 19?
IK: Ganz am Anfang gab es eine WG am Rathausplatz. Wir hatten Projektoren aus dem Jugendzentrum, das ausgebrannt war. Wir haben in einem ellenlangen Hausflur Filme gezeigt. Zu den Filmvorführungen kamen immer ca. 30 Menschen. Dann dachten wir, wir könnten das weiter machen und als die Feuerwache umgebaut wurde, haben wir dort im Seitenflügel etwa sechs Jahren an Wochenenden Kino gemacht. 1989 haben wir dann angefangen, Nauwieser 19 umzubauen und im März 1990 mit dem ersten 1. SaarLorLux Festival eröffnet.
WS: Im April wurde das Kino mit dem Federico Fellini Film „8 ½“ offiziell eingeweiht. Zur Eröffnung haben wir den berühmten Regisseur eingeladen. Er hat uns zurückgeschrieben, dass er sich für uns freut, aber leider nicht kommen kann. Doch der Name seines Films ist auch unser Programm: In diesem Film geht es um das Filmemachen, um das kreativ und schöpferisch sein, um die Zweifel, die man dabei hat, ob das was man macht richtig ist oder nicht, dann um die ganze Sachen, die dabei eine Rolle spielen, das politische, die Beziehungen, eigene Vorlieben und auch um den Blick nach innen. Wir wollen auch nicht nur die Filme zeigen und Menschen unterhalten, sondern wir wollen das Medium Film reflektieren, die Menschen zum Nachdenken bringen, gemeinsam entdecken wie ein Film entsteht, was in ihm passiert, welche Wirkung und Rhetorik er hat.
Dann wird die Jubiläumsfeier die richtige Gelegenheit Fellinis „8 ½“ nochmals zu zeigen?
WS: Wenn wir Rechteinhaber und die Sponsoren rechtzeitig finden, dann dürfte das kein Problem sein!