„Mit welchen Tricks hält es die Frau aus, da auf dem kalten Boden den ganzen Tag zu sitzen und zu betteln? Meditiert sie, nimmt sie Drogen oder ist sie eine Hexe? Die Antwort auf diese Frage ist banal und heißt: Es gibt keine Tricks! Diese Frau FRIERT tatsächlich! Sie hat aber keine andere Wahl, um die Existenz Ihrer Familie zu sichern“, verdeutlichte Norbert Mappes-Niediek, einer der besten Kenner der Roma, Südosteuropa Experte und Korrespondent vieler großer deutscher Zeitungen bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Zuwanderungsbüros ZIB und der Böll-Stiftung Saar letzte Woche in Saarbrücken. In seinem Vortrag erklärte er die Umstände, die Roma aus Südosteuropa an den Rand der wirtschaftlichen Existenz getrieben haben. Eines der Hauptprobleme liegt ihm zufolge an der Tatsache, dass von 7,4 Millionen Arbeitsplätzen in Rumänien Anfang der 1990er Jahre, heute nur noch 4 Millionen geblieben sind. So sind viele Rumänen, aber auch fast alle dort lebende Roma arbeitslos geworden!
Was die Mehrheit der Roma von anderen Menschen unterscheidet, ist die akute Armut, der sie durch Ausgrenzung und Versklavung in Europa durch Jahrhunderte ausgeliefert sind.
„Der Vergleich mit den schwarzen Sklaven in Amerika ist nicht übertrieben“, betont der Experte und Autor des gerade erschienenen Buches „Arme Roma, böse Zigeuner“.
Das meiste was wir glauben zu wissen über Roma ist ein Produkt unserer Fantasie, behauptet der Kenner. Zum Beispiel glauben wir gerne, dass sie nur deswegen betteln, weil sie irgendwelche Banden dazu zwingen. „Das stimmt aber nicht! Es sind bisher in ganz Europa nur drei Fälle bekannt, die wegen bandenmäßigen Bettelns vor Gericht verhandelt wurden. Der Rest sind Familien, deren Existenz vom Betteln abhängig ist. Entgegen aller Behauptungen, ist keiner davon je reich geworden!“, so Mappes-Niediek. „Und wenn sie mal klauen, dann auch nur, weil dies ihre einzige Überlebenschance ist. Noch nie bin ich in noch so armer Roma Siedlung unfreundlich behandelt, bedroht oder beklaut worden“, betont er. „Einmal hat mir ein Priester gebeichtet, er hätte lange über das Schicksal der Roma nachgedacht. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass er, wenn er in derselben Lebenslage wäre, auch nichts anderes machen würde als viele Roma. Er würde auch betteln und notfalls klauen!“
Was kann man also tun, um die Situation zu verändern?
Die wichtigste Prämisse des Autors lautet: Du sollst Armutswanderung nicht verhindern wollen!
Wir in Deutschland zum Beispiel, können nie die Lebensbedingungen so niedrig gestalten, dass die armen Menschen nicht kommen. Es ist auch eine Illusion zu glauben, dass man mit verstärktem Druck auf die armen Länder deren Armutsproblem lösen kann.
Aus dem Publikum wurde daraufhin das Aufkommen von einigen Hundert Roma im Jahr 1990 nach Lebach und deren Unterbringung in der dortigen Landesaufnahmestelle angesprochen. Auch an die daraus folgende pogromartige Stimmung in Lebach gegen die Roma wurde erinnert.
„Armut macht nicht sympathisch! Eben deswegen stehen moderne Gesellschaften in der Pflicht, sich dauerhafte Ziele zu setzen, um die Probleme der Armut, der Arbeitslosigkeit, der Bildungsmisere und der Gesundheitsversorgung der Armen systematisch anzugehen. Die europäischen Verwaltungen brauchen mehr Flexibilität und Modernisierung“, so Mappus-Niediek.
Eine Forderung die nicht neu, aber bei uns schon seit Jahren auf allen Verwaltungsebenen und anderswo auf taube Ohren stößt! Man hat es sich doch gerade so schön gemütlich gemacht, nicht wahr?