„War das wirklich so schlimm?“, fragte nach der deutschen Premiere des Films „Der Hauptmann“ (2017), des Regisseurs Robert Schwentke, bei der Eröffnung des Filmfestivals „Max-Ophüls-Preis“ in Saarbrücken eine der Zuschauerinnen.
„Ja und sogar viel schlimmer“, bestätigte Schwentke.
Tatsächlich ereignete sich in der Woche vom 12-19. April 1945 im norddeutschen Strafgefangenenlager Aschendorfermoor ein Massaker. Angeführt von einem 19-jährigen Wehrmachtssoldaten, der sich in der Uniform eines Fallschirmjäger-Hauptmanns als Bevollmächtigter Hitlers präsentierte (gespielt von Max Hubacher) und das Standgericht vollzog. In einer Mordorgie starben 172 Gefangenen, meist, durch Zwangsarbeit, Misshandlungen und schlechte Verpflegung bereits geschwächte politische Gefangene und ehemalige Wehrmachtssoldaten.
Doch es ist nicht nur dieses Ereignis, welches es dem Zuschauer schwer macht den Film durchzuhalten. Es sind viele andere Entgrenzungen, mit denen Schwanke die Stimmung der Endphase des Krieges nachzuzeichnen sucht. Es ist die Atmosphäre in der ein jeder Bauer sich das Recht nimmt, die Menschen wegen eines gestohlenen Eies mit der Spatengabel durchzubohren. In der auch die Ehefrau des Lagerführers Spaß daran hat, auf die ums Leben wegkriechenden Häftlinge mit der Pistole zu schießen. Es sind die ausgelassenen Vergnügungsorgien mit ‚normalen‘ Frauen, es ist die omnipräsente Lust andere zu quälen, sie zu erniedrigen, auszulöschen. Sich einer Uniform unterzuordnen.
Der Film macht die Hässlichkeit des Krieges in seiner entfesselten Form so spürbar, dass der Zuschauer schon vor seiner ersten Hälfte wünscht, er möge endlich aufhören! Doch, so wie in der Realität, geht der Krieg weiter und selbst nach der endgültigen Niederlage bleibt in einigen Köpfen der Glaube an die Richtigkeit der Kriegsziele bestehen. Dass sich manche Menschen in unserem Alltag von der im Film auftretenden „Schnellgericht-Herold-Truppe“ auf der Straße bereitwillig kontrollieren lassen, wie im Abspann des Filmes gezeigt wird, macht allzu deutlich, dass ein totalitäres Regime jederzeit denkbar ist.
Eindrucksvolle schwarz-weiß Bilder (Kamera Florian Ballhaus), ausgezeichnete Schauspieler und Komparsen (u.A. Frederick Lau, Milan Peschel, Alexander Fehling): „Der Hauptmann“ ist, auch wenn ihm das eine oder andere Szene mehr schadet als nutzt (z.B. die allzuzahlreichen Tötungsszenen, der abschließende Gang über die Skelette, die Farbszene des Lagers heute) ein sehenswerter Antikriegsfilm. Dass die Max Ophüls Filmfestivalleitung ausgerechnet so einen Film als Eröffnungsfilm gewählt hat ist mutig, wenngleich seine Härte einige Zuschauer-innen veranlasst hat, den Saal vorzeitig zu verlassen. Solange der Krieg nur im Kinosaal tobt, ist das noch einfach möglich. Ab heute ist der Film in den deutschen Kinos, in Saarbrücken in der Camera Zwo zu sehen.
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